Steuerbegünstigung für das Familienheim in der Erbschaftsteuer
Das Erbschaftsteuergesetz stellt den Erwerb eines Familienheims von Todes wegen durch die Kinder unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Grundsätzlich muss hierfür unter anderem der Erblasser das Objekt bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben; beim Erwerber muss das Objekt unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG).
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erfolgt eine Handlung nur dann unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Dies bedeutet, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Erwerber in der Regel prüfen, ob er einziehen will, entsprechende Renovierungsarbeiten vornehmen und den Umzug durchführen (vgl. BFH, Urteil vom 28.05.2019 II R 37/16, BFHE 264, 512).
Das Finanzgericht Münster (FG) hatte in einem ersten Urteil (vom 24.10.2019 – 3 K 3184/17 Erb, EFG 2020 S. 214) zunächst entschieden, dass im Fall von umfangreichen Renovierungsarbeiten, die zwar unverzüglich nach dem Erbfall begonnen, aber erst nach ca. 3 Jahren abgeschlossen werden konnten und sodann zur Selbstnutzung durch den Sohn des Erblassers führten, wegen Überschreitens des Sechsmonatszeitraums keine Steuerfreiheit gewährt werden könne.
Auf die Revision des Klägers hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück an das FG mit dem Hinweis, es habe zu strenge Maßstäbe an die Gewährung der Steuerbefreiung angesetzt (BFH-Urteil v. 06.05.2021 – II R 46/19, BStBl. 2022 II S. 342). Nach den Ausführungen des BFH kann auch bei Aufnahme der Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Dabei obliegt es dem Erwerber, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift.
In Anwendung dieser Grundsätze hat das FG Münster nun im zweiten Rechtszug (Urteil vom 30.06.2022 – 3 K 3184/17 Erb, veröffentlicht am 01.06.2023) der Klage stattgegeben. Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber – so das FG – nicht anzulasten, da er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gegeben hat, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat (hohe Auftragslage, schlechte Witterungsbedingungen), nicht rechtzeitig ausführen konnten. Im Ergebnis wurde dem Kläger die Steuerbefreiung trotz Überschreitens des Sechsmonatszeitraums gewährt.
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